
Ukraine-Krieg: Das ist in den Versicherungssparten zu beachten
Ende Februar hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine begonnen. Die Welt reagierte neben grosser Erschütterung mit wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland. Welche Auswirkungen sich daraus für den Versicherungsschutz von Unternehmen ergeben, fassen wir zusammen.
Als die ersten Nachrichten aus der Ukraine durchdrangen, sorgten sie vor allem für Fassungslosigkeit, die uns alle seitdem begleitet. Die weltweiten wirtschaftlichen Sanktionsmassnahmen gegen Russland, unter anderem von der EU und den USA, folgten umgehend. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die einzelnen Versicherungssparten?
Grundsätzlich finden sich in allen Versicherungssparten sogenannte Kriegsausschlüsse wieder. Denn ein Kriegsereignis ist ein nicht kalkulierbares und steuerbares Kumulrisiko, das weder Rückversicherer noch Erstversicherer übernehmen können. Eine Ausnahme hierbei bildet die Transport-Versicherung, die See- und Lufttransporte im internationalen Verkehr einschliesst.
Was bedeutet die Klausel Kriegsausschluss genau?
Ein Kriegsausschluss innerhalb einer Police heißt: Die Versicherung erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand. Dieser Ausschluss gilt auch nach Beendigung der Kriegshandlungen: Spätschäden als adäquate Kriegsfolgen, wie z. B. infolge unentdeckter Sprengladungen oder Minen, bleiben dauerhaft ausgeschlossen.
Versicherungsschutz in der Ukraine und in Russland
Die Ukraine und Russland gelten als sogenannte Verbotsländer, in denen eine Versicherungspflicht herrscht. Daher bestehen im Rahmen von internationalen Versicherungsprogrammenlokale Policen in diesen Ländern. Da der Kriegsausschluss auch in internationalen Policen vereinbart ist, wird sich dieser ebenfalls in lokalen Policen für Risiken in der Ukraine wiederfinden.
Ukraine – In den lokalen Policen für Risiken in der Ukraine wird der Kriegsausschluss analog zu Schweizer Policen vereinbart sein. Ob im Rahmen eines Financial Interest Cover (kurz: FINC) Versicherungsschutz für ukrainische Tochtergesellschaften Schweizer Unternehmen besteht, muss im Einzelfall geprüft werden. Der Financial Interest Cover (FINC) versichert das Interesse der Konzernmutter am Werterhalt der Auslandsbeteiligung. Dazu kann aktuell keine Aussage getroffen werden. Wir verfolgen die Entwicklungen genau.
Russland – Inwieweit sich die Sanktionen für Russland auf den Versicherungsschutz von Unternehmen auswirken, hängt davon ab, welche Sanktionsklauseln in den Verträgen enthalten sind und wie genau diese formuliert sind. Oft sehen diese Verträge das Recht vor, sich sofort von vertraglichen Verbindungen zu lösen, wenn Unternehmen durch ein Geschäft gegen die neue Sanktionsverordnung verstossen würden. Auch die Rolle von Belarus ist in diesem Zusammenhang genau zu beobachten und zu prüfen. Funk steht hier an der Seite der Kunden und prüft im Einzelfall.
Wie wirkt sich der Ukraine-Krieg auf den Versicherungsschutz in den einzelnen Sparten aus?
Sach-Versicherung

In der Sach-/Betriebsunterbrechungs-Versicherung besteht ein genereller Ausschluss für Schäden an Gebäuden, Waren und Einrichtungen sowie Betriebsunterbrüche, verursacht durch oder als Folge von kriegerischen und kriegsähnlichen Ereignissen, Neutralitätsverletzungen, Revolution, Rebellion oder Aufstand. Von diesem generellen Ausschluss sind auch Wechselwirkungs- und Rückwirkungsschäden (inkl. Prozessstofflieferanten) betroffen.
Lieferausfälle aufgrund von Werksschliessungen sind in der klassischen Sach-/Betriebsunterbrechungsversicherung nicht versichert, da kein Sachschaden vorliegt. Voraussetzung wäre immer ein versicherter Sachschaden.
Ebenfalls zu berücksichtigen ist die in den meisten Verträgen beinhaltete Sanktionsklausel, die besagt, dass kein Versicherungsschutz oder sonstige Leistungen des Versicherers gewährt werden, soweit und solange dies Wirtschafts-, Finanz- oder Handelssanktionen der EU, der USA, des Vereinigten Königreichs und der UN oder Schweizer Gesetzen entgegensteht.
Transport-Versicherung

Krieg, Streik, Unruhen, Terrorismus und Minen sind in den gängigen Transport Policen aufgrund von Sonderklauseln (TR 7, 8, 9/2006) mit einem eingeschränkten Deckungsumfang mitversichert. Im Rahmen der Kriegsklausel sind See- und Lufttransporte und für den Fall, dass Ladung auf Schiffen, in Flugzeugen oder einer begrenzten Zeit am Bestimmungshafen/Zwischenhafen/Zwischenplatz beschädigt wird, wieder eingeschlossen. Krieg an Land ist üblicherweise nicht gedeckt.
Um auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können, beinhalten die Klauseln ein kurzfristiges Sonderkündigungsrecht. Solange die Reise nicht begonnen hat, kann der Versicherer die gewährten Zusatzdeckungen jederzeit auf 24 Stunden kündigen. Einzelne Versicherer machen aktuell Gebrauch und kündigen die Deckung für Krieg, Streik, Unruhen, Terrorismus, Minen. Die Kündigung gilt nicht für Transporte, die vor Wirksamwerden der Kündigung begonnen haben. Diese Transporte bleiben vollumfänglich bis zum Ende der jeweiligen Transporte versichert. Beim Ausschluss geht es um das Kriegsrisiko, der restliche Versicherungsschutz ist davon nicht betroffen und bleibt unverändert gültig.
Die Kündigung bezieht sich geographisch in der Regel auf die Ukraine, Russland und Weissrussland, inklusive dem Schwarzen Meer und dem Asowschen Meer.
Streik- und Aufruhr Gefahren gelten in der Regel auch bei Landtransporten und Lagerungen als versichert.
Die Deckung bei Minen gilt insbesondere für Verlust und Beschädigung, unmittelbar verursacht durch Explosion von Minen oder gesunkenen oder treibenden Torpedos und gilt nur, während sich die Güter an Bord eines Wasserfahrzeuges befinden.
Auch hier gilt zu berücksichtigen, dass in den meisten Verträgen die beinhaltete Sanktionsklausel besagt, dass kein Versicherungsschutz oder sonstige Leistungen des Versicherers gewährt werden, soweit und solange dies Wirtschafts-, Finanz- oder Handelssanktionen der EU, der USA, des Vereinigten Königreichs und der UN oder Schweizer Gesetzen entgegensteht.
Haftpflicht-Versicherung

Grundsätzlich sind Haftpflicht-Deckungen – im Rahmen und Umfang der jeweiligen Policen – weiterhin gültig, auch in der Ukraine und in Russland. Allerdings finden sich in Haftpflicht-Policen ebenfalls Kriegs-/Terrorklauseln. Nicht versichert sind demnach unter anderem Ansprüche durch oder im Zusammenhang mit Krieg, Kriegshandlungen, Militär- oder Volksaufstand. Zusätzlich sind Sanktionsklauseln zu beachten, die üblicherweise Bestandteil von Haftpflichtpolicen sind. Diese besagen, dass kein Versicherungsschutz oder sonstige Leistungen der Versicherer gewährt werden, soweit und solange diesen Wirtschafts-, Finanz- oder Handelssanktionen oder sonstige Gesetze der EU, der USA, des Vereinigten Königreiches, der UN oder der Schweiz entgegenstehen.
Technische Versicherung

Montage-/Bauversicherungen
Wie in der Sachversicherung sehen die Verträge einen generellen Ausschluss für Schäden, verursacht durch oder als Folge von kriegerischen und kriegsähnlichen Ereignissen, Neutralitätsverletzungen, Revolution, Rebellion oder Aufstand.
D&O-Versicherung

Auf die Organe der Unternehmen als versicherte Personen kommen gerade in diesen Zeiten besondere Verantwortung zu, die richtigen Entscheidungen zum Wohle des Unternehmens zu treffen. Krieg oder kriegsähnliche Ereignisse sind in den gängigen Bedingungswerken nicht ausgeschlossen. Dennoch sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen:
Wissentliche Pflichtverletzungen
Ansprüche wegen oder auf Grund von wissentlichen Pflichtverletzungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Im Zuge einer Inanspruchnahme eines Organs wird zu klären sein, ob eine Entscheidung (z. B. die Lieferung von Waren oder die Freigabe von Investitionen) eine wissentliche Pflichtverletzung darstellen oder nicht.
Handelssanktionen
Der Versicherer verweigert Schadenszahlungen oder andere Leistungen soweit die anwendbaren Wirtschafts-, Handels- und Finanzsanktionen verletzt werden.
Sie sollten z. B. bei anstehenden Ausfuhren deshalb die aktuellen Sanktionen der EU und ggf. weiterer Länder gewissenhaft prüfen. Bei Verstössen gegen Sanktionen können hohe Bussgelder verhängt werden, welche auch nicht versichert sind.
Cyber-Versicherung

Die russischen Angriffe auf die Ukraine werden von einem Cyberkrieg begleitet, in dem auf beiden Seiten sowohl staatliche als auch private Akteure aktiv sind. Auch US-Behörden warnen bereits, dass diese Angriffe „unbeabsichtigt auf Organisationen anderer Länder überschwappen können“. Dieses Risiko wird am Beispiel der Hackergruppe Anonymous deutlich. Diese hat Russland den Cyberkrieg erklärt. Dabei wurde zwar versichert, dass sich der Angriff allein gegen die russische Regierung richte, es aber unvermeidlich sei, „dass auch der private Sektor betroffen sein wird.“
Was bedeutet das nun für die Cyber-Versicherung?
Auch in der Cyber-Versicherung haben viele Versicherer in ihren Bedingungswerken Kriegs- und Terror-Ausschlüsse zur Vermeidung drohender Kumulschäden im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung verankert. Im Schadenfall dürfte entscheidend sein, wie weit dieser Ausschluss zu verstehen ist: Ist ein zufällig betroffenes Unternehmen ausserhalb der durch den Krieg betroffenen Staaten noch Teil dieses durch Versicherer befürchteten Kumulrisikos? Oder sind derartige Schäden als Kollateralschäden nicht mehr über den Ausschluss erfasst? Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt dürften die zivilprozessualen Beweislastregeln sein: Wird der Ausschluss angewandt, hat der Versicherer zu beweisen, dass es sich um einen kausal durch den Krieg verursachten Schaden handelt.
Gut zu wissen: Die Funk CyberSecure schliesst Cyberkrieg bzw. Cyberterrorismus in ihre Police wieder ein. Die genauen Umstände eines Vorfalles sowie die anwendbaren Deckungsklauseln sind im Schadenfall wie immer im Einzelnen zu prüfen.
Motorfahrzeug-Versicherung

Für die Motorfahrzeugversicherung ist in Bezug auf die Kriegssituation in der Ukraine zu unterscheiden zwischen:
- Motorfahrzeughaftpflicht-Versicherung: Für diese besteht kein Ausschluss aufgrund der Kriegssituation. Ausnahmen bilden Verträge der Zürich und Allianz Versicherung, welche unabhängig der aktuellen Kriegssituation für die Ukraine keine Deckung gewähren.
- Übrige Deckungen (Motorfahrzeugkaskoversicherung/Unfallinsassenversicherung): Es besteht kein Versicherungsschutz
Grundsätzlich rät das EDA aber von Reisen in die Ukraine dringend ab, weshalb in der aktuellen Situation eine Fahrt in die Ukraine grundsätzlich schon als grobfahrlässige Handlung eingestuft wird und im Leistungsfall Kürzungen vorgenommen werden können.
Kredit-Versicherung

Der Kredit-Versicherungsschutz ist in vielfacher Hinsicht von der aktuellen Situation berührt. Denn die Kreditversicherer reagieren auf den Krieg mit unterschiedlichen Massnahmen – von Begrenzungen versicherter Volumen bis zu vollständigen Ausschlüssen. Die Zeichnung neuer Risiken für die Ukraine und Russland ist eingestellt.
Für versicherte Lieferanten und Abnehmer ergeben sich viele offene Fragen, die individuell geprüft und geklärt werden müssen. Mehr Informationen und Ihren Ansprechpartner finden Sie hier.
Versicherungsschutz bei der Aufnahme von Geflüchteten
Immer mehr Menschen aus der Ukraine suchen Zuflucht in europäischen Nachbarländern. Auch in der Schweiz wird eine grosse Zahl Geflüchteter erwartet. Viele von ihnen sind auf Hilfsbereitschaft angewiesen. Dazu zählt neben Geld- und Sachspenden vor allem auch Wohnraum. Was dabei für den Versicherungsschutz beachtet werden muss, lesen Sie hier
Der Krieg in der Ukraine erschüttert uns alle sehr. Unsere Gedanken sind in der Ukraine und bei allen Betroffenen dieses Krieges in Europa. Alle Unternehmen mit Bezug auf die Ukraine und Russland sind zum unmittelbaren Handeln gezwungen. Was passiert mit den Mitarbeitenden vor Ort und welche Auswirkungen ergeben sich für den Produktionsstandort? Auch die Lieferketten werden nach der Suezkanal-Blockade und der Coronapandemie ein weiteres Mal einem Belastungstest unterzogen. Funk wird die weiteren Entwicklungen eng beobachten und seinen Industriekunden als starker Partner zur Seite stehen.
Die Situation in der Ukraine ist sehr dynamisch, es gibt laufend neue Entwicklungen. Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dient einzig der allgemeinen Information und stellt die Sichtweise von Funk zum Veröffentlichungszeitpunkt dar (siehe Datum).
22.03.2022