Bereit für das Unerwartete?

Trotz Lockerung des Lockdowns dürfte sich durch die Pandemie in Wirtschaft und Gesellschaft einiges ändern. Dazu gehört auch, wie wir Risiken bewerten und damit umgehen.

Noch 2019 identifizierten Wirtschaftsführer und andere Experten Cyber-RIsiken, Regulierungsänderungen, ungünstige Marktentwicklungen, Fachkräftemangel und politische Risiken als die wichtigsten Risiken – von einer Pandemie war nicht die Rede.

Die Pandemie traf uns unerwartet

Zahlreiche Studien, Umfragen und Risiko-Barometer hatten keine Pandemie auf dem Radar. Einzig im Global Risks Report des World Economic Forums kam eine Pandemie am Rande vor. Deren Auswirkungen schafften es aber "nur" auf Rang 10 aller Risiken. Und weil die Eintrittswahrscheinlichkeit als sehr gering eingestuft wurde, beleuchteten die Studienautoren dieses Risiko nicht näher. 

Das alles wirft ein paar Fragen auf, zumal das Pandemie-Risiko in den genannten Studien vor einigen Jahren viel stärker gewichtet wurde. Dies war immer nach einem unmittelbaren Ereignis der Fall (Schweine- und Vogelgrippe, SARS, Ebola). Danach wurde jeweils die Eintrittswahrscheinlichkeit immer niedriger eingeschätzt.

Im Funk Global Risk Report werden fünf aktuelle Risikoberichte analysiert und daraus die Top 5 Risiken ausgewertet. Ein Umdenken aufgrund der Erfahrungen mit der Pandemie ist jetzt angesagt.

Psychologische Effekte verzerren Risikowahrnehmung

Dieser Urteilsfehler ist das Ergebnis psychologischer Effekte. Statt von Statistiken lassen wir uns vielmehr von medienwirksamen Ereignissen leiten. Zudem setzt die kollektive Vergesslichkeit schneller ein, wenn man  von einem Schadenereignis nur am Rand betroffen war. Auch Experten sind davor nicht gefeit. Die Risikostudien bilden also primär eine "aktuelle" bzw. medial vermittelte Risikolage ab. Latente Risiken fallen so eher vom Radar. Umso grösser ist die Überraschung, wenn dann das Ereignis doch eintritt.

 

Alles was schiefgehen kann, wird schiefgehen

Die Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit ist eine der grössten Herausforderungen des Risikomanagements. Sie ist oft subjektiv, scheingenau und führt meist zur Unterschätzung von Risiken mit hohen Auswirkungen. Ob eine Eintrittswahrscheinlichkeit als klein beurteilt wird oder ob man sich unbeirrt davon zweckmässig darauf vorbereitet, macht einen grossen Unterschied. Insofern bedarf es eines Umdenkens und der Einsicht, dass wir nicht alles prognostizieren können. Wir sollten uns dennoch auf bestimmte Eventualitäten vorbereiten und jene Risiken im Auge behalten, die – wie eine Pandemie – globale Auswirkungen haben, aber potenziell unterschätzt werden, weil sie als unwahrscheinlich gelten. 

Zum Beispiel der Unterbruch des Internets oder der Ausfall der Kommunikationsinfrastruktur, zwei Risiken, die in Zeiten der Digitalisierung an Bedeutung gewinnen. Aber auch ein Stromausfall in den grössten Wirtschaftszentren der Welt, ein globaler Schädlingsbefall oder der Ausbruch eines Supervulkans sind Risiken, die nirgends erscheinen. Ob es einem gefällt oder nicht: Insgesamt werden wir Risikoaspekte bei unternehmerischen und gesellschaftlichen Entscheidungen verstärkt berücksichtigen müssen, um bewusster zu entscheiden, wie wir als Unternehmen oder Gesellschaft damit umgehen und wie wir uns dagegen wappnen wollen.

 

Risikomanagement auch für KMU immer wichtiger

Um KMU zu entlasten, wurden Unternehmen mit weniger als 40 Millionen Franken Umsatz oder weniger als 250 Vollzeitstellen im Jahr 2013 von der OR-Vorschrift befreit, eine Risikobeurteilung im Anhang der Jahresrechnung zu publizieren. Diese Vorschrift war erst fünf Jahre davor eingeführt worden. In Deutschland geht man derweil einen Schritt weiter. Statt einer klassischen Risikobeurteilung gilt dort seit kurzem ein Revisionsstandard, welcher die Berücksichtigung von Risikoaspekten bei allen wichtigen unternehmerischen Entscheidungen vorgibt – so sollen Unternehmen auch für die Fälle vorsorgen, mit denen wirklich niemand rechnet.

 


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